Anton Lengmüller - meine Geschichte, mein Trabant
Anfangen muss ich die Geschichte, wie ich meine Freude an einem Trabant fand, wohl zu Wendezeiten: 1989 leistete ich meinen Grundwehrdienst im bayerischen Brannenburg. Unruhige Zeiten waren das damals, häufige Übungen und Alarme wurden zur Normalität. Im Osten rumorte es. Die wöchentlichen Montagsdemos in der Leipziger Nikolaikirche waren auch im Westfernsehen beinahe tägliches Thema. Der weitere (glückliche) Verlauf ist hinreichend bekannt.
Nicht mehr so sehr hat man die Übergangslager im Gedächtnis. Diese wurden eingerichtet, um den zunächst über Ungarn, später dann direkt über die innerdeutsche und offene Grenze geflohenen DDRBürgern eine erste Anlaufstelle zu geben. Eine erste Bleibe sollte es nur sein - ein Dach über dem Kopf eben. Ein komplettes Kompaniegebäude wurde geräumt, damit die ‚anderen Deutschen‘ dort unterkommen konnten. Für uns Soldaten hatte das Ganze einen komischen Beigeschmack: So wurde unsereins beim Eintritt in die Kaserne gefilzt, wenn man nur eine Tasche dabei hatte- die Trabis und Wartburgs aus dem Osten dagegen konnten unbehelligt passieren.
Trotz aller gefühlten Ungerechtigkeiten siegte die Neugierde schließlich doch über den Frust. Die Fahrzeuge mit denen „die“ ankamen, hatten wir bis dahin nie gesehen. Die Zweitakter rochen anders, klangen anders, weckten Neugier. Wie sieht da der Motor wohl aus? Schließlich kamen wir mit einem der Trabantbesitzer ins Gespräch, der uns bereitwillig die Motorhaube öffnete. Völlig anders sah es aus, als in den uns bekannten Westautos. Ein großes Wärmetauscherrohr stach ins Auge, der Motor unter einer textilen Kunstlederhaube, zwei dicke Zündspulen auf der rechten Seite… alles war einfach und übersichtlich, fast wie bei einem Moped. Keine Sensorik, keine Steuergeräte, keine Servomotoren - nicht mal ein Bremskraftverstärker. WAS ist das denn?
Doch gerade in dieser Einfachheit liegt der Reiz und Charme eines Trabants. Auch mit einfachen Fahrzeugen kommt man von A nach B - Zweckmäßigkeit ist das Credo. Zu bedenken ist hier die Planwirtschaft der damaligen DDR und die damit verbundene Rohstoffknappheit an vielen Stellen. Und trotzdem haben die Jungs es hinbekommen, sogar ein Auto in großen Stückzahlen in Serie zu produzieren. Ja, das war es wohl, was mich so fasziniert hat. Heute als Konstrukteur bin ich oft auf der Suche nach genau diesen einfachen Lösungen. Nicht kompliziert, funktional. Diese Faszination des Einfachen ist vielleicht ein bisschen Lebenseinstellung geworden. Schließlich kam es dazu, dass ein alter Freund und Besitzer einer Werkstatt 1991 sich einen Trabant für wenige D-Mark gekauft und restauriert hat. Diesen Trabant habe ich „dem Sepp“ im selben Jahr für 750 Mark abgekauft.
Wow, jetzt war das MEIN Trabant- ein 601er aus dem Jahr 1983. Ich fuhr den Trabi die folgenden drei Jahre. Sommer, wie Winter. Für die kalte Jahreszeit habe mir einen Wasserkocher eingebaut- damit konnte ich mir unterwegs frischen Tee oder Kaffee brühen. Die größten Strecken, die ich mit dem Trabi zurückgelegt habe, waren Fahrten nach Stuttgart, Prag und Dresden. Auf letzter Reise trug sich dabei folgendes Erlebnis zu: Auf der Rückfahrt von Dresden auf der A72, unweit der Geburtsstätte des Trabis bei Zwickau, riss der Keilriemen. Ein glücklicher Umstand war es, dass sich dies unweit vor einer Autobahnausfahrt zutrug. Mit sofort ausgeschaltetem Motor ausrollend verließen wir die Schnellstraße in Richtung einer Tankstelle und schoben den Trabi vor die Werkstatttür. Der Freundliche Meister kannte Trabis sehr gut und wechselte im Handumdrehen den Keilriemen. Weniger freundlich war dann die Rechnung, die er für Material und nicht mal eine halbe Stunde Arbeit präsentierte: 170,-DM! Da platze meinem Begleiter der Kragen und führte dem KFZ-Meister vor Augen, dass solche Machenschaften das Ansehen der „Ossis“ bei den „Wessis“ nicht gerade fördere. Und siehe da: die ganze Aktion kostete plötzlich noch 100,-DM!
1994 habe ich meinen Trabi schließlich an einen Nachbarn verkauft, der in Berlin einen Studienplatz hatte. So kam der Wagen wieder in Ostgefilde - zurück in die Heimat! Ganz ließ mich das Trabantfieber jedoch nie los. 2012 suchte ich wieder sporadisch nach einem Sachsenring Trabant 601. Auch ging ich hin und wieder zu einem lokalen Stammtisch in Neuötting, an dem sich Freunde der Ostfahrzeuge einmal monatlich trafen. Vermittlungsversuche von den Kollegen blieben jedoch erfolglos. Schließlich fand ich im Spätsommer 2015 im Internet den Wagen, der heute mein Eigen ist: Ein Trabant 601 S de luxe! Ein Ostkollege mit „Vollausstattung“, im unverbastelten Originalzustand mit gut 16.000km auf dem Tacho, Standort: Nähe Erfurt. Nach einigen Rückfragen gab ich meine Kaufzusage und überführte ihn mit Autoanhänger ins bayerische Winhöring. Nun wartete einiges an Arbeit auf mich: Die ganze Kraftstoffzuführung reinigen, die Bremsen reparieren, die Wischanlage instand setzen - und vieles mehr. Schließlich gab der TÜV seinen Segen und seit April 2016 gibt es wieder einen Trabant mehr auf unseren Straßen. Was für ein schönes Gefühl!
Seit 2014 bin ich Mitglied beim Bayrischen Trabant Club e.V. Hier trifft man auf viele Gleichgesinnte, die einem gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen und sich gerne mit Ersatzteilen aushelfen. Ohne Frage unterscheiden sich Trabant-Clubs oft von anderen Oldtimer-Clubs: Es sind Leute wie du und ich. Menschen, die selbst Hand anlegen. Menschen, die mit einem sehr schmalen Budget einen Klassiker fahren wollen. Ich kenne keinen meiner Trabant-Freunde, die ihr Auto in die Werkstatt zur Inspektion bringen - Ehrensache! Eine Hand wäscht die andere - und das macht es auch aus. Trabant-Leidenschaft wird zu Freundschaft.
Die Beschaffung von Ersatzteilen für den Trabant ist bis heute noch kein Problem. Die Preise für den kleinen Zweitakter sind jedoch in den letzten Jahren deutlich gestiegen: In gutem Zustand kostet ein originaler Trabi gut und gerne über 6000,-€. Alleine beim Trabi blieb es jedoch nicht: Ein kleiner Lastenanhänger der VEB Stanz- und Emailwerk Großenhain gehört inzwischen auch zu meinem Fuhrpark. Damit nicht genug: Ich sammle auch allerlei Utensilien aus der DDR: Von der Fensterfahne bis zur VoPo Taschenlampe, Münzen, Landkarten aus der Zeit vor 1989 und eine Kartentasche eines NVA-Offiziers gehören inzwischen zu meiner Sammlung.
Abgerundet wird alles - wie sollte es anders sein - nun mit einer passenden Softgarage für meinen kleinen Freund aus dem Osten, in der er sich sehr wohl fühlt und sogar Hauptdarsteller in einem Fotoshooting wurde. So wird diese innige Liebe noch viele Jahre bestmöglich geschützt und konserviert.
Weiter Infos zu unserem Club findet man unter www.bayrischer-trabant-club.de